BEDEUTUNGSVOLLE IDEEN

Wie werden Bedürfnisse erzeugt? Bedeutung und Bedürfnis

Bedürfnisse erzeugen ist eine hohe Kunst. Haben Sie sich jemals gefragt, wie die größten Marketinggenies es schaffen, Ihnen Dinge anzudrehen, von denen Sie gar nicht wussten, dass Sie sie brauchen? Haben Sie je mitten in der Nacht wachgelegen und gedacht: „Warum habe ich plötzlich das unstillbare Verlangen nach einem dritten Smoothie-Maker?“

Wahrscheinlich nicht, denn dessen werden wir uns selten bewusst. Aber es passiert, tagtäglich, tausendfach. In einer Welt, in der jede Luftblase einen eigenen Marktwert hat, liegt der Schlüssel zum kapitalistischen Erfolg darin, Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Leben ohne Ihre Marke schlichtweg nicht vollständig ist. Bedürfnisse, die keiner wirklich hat, aber dennoch alle zu wollen glauben.

Wie erzeugt man Bedürfnisse? Was sind die Techniken des subtilen Überzeugens, der emotionalen Manipulation und wie zaubert man die unumgängliche „Das-muss-ich-haben“-Mentalität?

Bedürfnisse erzeugen kann man nicht

Eines vorneweg: Marketing kann seinen Konsumenten keine neuen Bedürfnisse einpflanzen. Bedürfnisse existieren vor aller Werbung. Aber symbolische Markenführung kann vorhandene Bedürfnisse verstärken. Daran sollte kein Zweifel bestehen. Oder doch?

Nun, Marketing hat keinerlei Einfluss auf die Bedürfnisse der Verbraucher. Die Bedürfnisse sind längst vor den Werbekampagnen da. Deshalb ist es auch reine Budgetverbrennung mit permanenter Wiederholung an die Verbraucher heranzutreten, um neue Bedürfnisse zu generieren. Wie geht es besser?

Bedeutung schafft Begehren

Begehrende Konsumenten begehren nicht die Dinge selbst, sondern deren Bedeutungen. Die Bedeutungen konstituieren sich aus ihrer Sozialwelt: Bereits im Vorfeld möglicher Kaufakte greifen Konsumenten auf medial vermittelte Botschaften ebenso zurück wie auf diejenigen Produkte, die Menschen in ihrem sozialen Umfeld gebrauchen. Persönliche Werte werden durch Güter wie Kleidung, Nahrungsmittel, Wohnumgebungen und ästhetische Vorlieben kenntlich. Aber auch sozialer Status, Anerkennung, Aufstieg und Abgrenzung, Freundschaft und Distanz.

Was bedeutet es eine KitchenAid zu besitzen, statt einer Maschine von ok? Was sage ich über mich aus, wenn mit Freunden Polospiele besuche? Wenn wir Marken begehren, geht es nicht um konkrete Produkte, sondern um die Bedeutungen der Marken. Das ist zumindest in der sogenannten ersten Welt der Fall, wo Konsumenten nicht mehr an der Befriedigung materieller Grundbedürfnisse interessiert sind. Diese sind weitgehend gesichert.

Bedürfnisse erzeugen in gesättigten Märkten

Die meisten Konsumgütermärkte sind gesättigt. Produkte hierzulande erfüllen die sachlichen Qualitätsstandards der Konsumenten. Die technische Produktentwicklung ist bei den meisten Konsumgütern so ausgereift, dass technische Qualitätsunterschiede kaum noch wahrnehmbar sind. Die Produkte sind technisch homogen. Unter bestimmten Bedingungen kann man sogar völlig auf Informationen z. B. auf Verpackungen verzichten. Das ist vor allem auf gesättigten Märkten der Fall, wenn die Produkte nicht (mehr) erklärungsbedürftig sind und der Konsument an sachlicher Produktinformation wenig interessiert ist; die sachlichen Eigenschaften der konkurrierenden Marken von den Konsumenten als ungefähr gleich gut beurteilt werden.

Ihr unterschiedlicher Markterfolg lässt sich nicht mehr mit Qualität erklären, sondern zunehmend aus den unterschiedlichen Gefühls- und Erlebniswelten, die Marken für ihre Zielgruppen repräsentieren. Die Bedürfnisse in gesättigten Märkten sind andere.

Die Bedeutung wertvoller Kommunikation

Über die Qualitätsunterschiede der konkurrierenden Marken gibt es also nur wenig zu informieren. Aber wie differenzieren sich Marken, wenn informative, deklarative Kommunikation versagt?

Der Schlüssel liegt in semiotischer Markenführung. Denn wo Information und Beschreibung ihr kommunikatives Ziel verfehlen, trifft bedeutungsvolle Kommunikation ins Schwarze. Ziel bedeutungsvoller Botschaften ist es, Marken symbolisch zu führen.

Bedeutungsvolle Marken werden als Leadership Marken wahrgenommen. Sie gehen voran und geben einen zusätzlichen Erlebniswert. Der Markennutzen geht also über Qualität oder Funktion hinaus. Werte wie Freiheit, Natürlichkeit oder Genuss werden durch die Auswahl und Kombination von Zeichen addiert. Marken und Produkte erhalten emotionale Bedeutung. Sie werden bedeutungsvoll.

Durch Marketingkommunikation können produktbezogene Gefühle ausgelöst und gesteuert werden. Produkt- und Packungsgestaltung, Werbung und Verkaufsförderung, Firmen- und Verkäufererscheinungsbild etc. erlauben es, die mit einer Marke verbundenen Gefühle der Konsumenten zu beeinflussen. Es gilt als Aufgabe der Markenpolitik, über den Grundnutzen des Produkts hinaus als Zusatznutzen ein Markenerlebnis zu schaffen, das außerhalb objektiver Qualitäts-, Preis- und Distributionsmerkmale eine vorteilhafte Wettbewerbsposition aufbauen kann.

Wer steuert Bedeutung im Unternehmen?

Im kommerziellen Marketing übernehmen Semiotiker die Aufgabe, Markenkommunikation zu analysieren und legen damit den Grundstein für die Gestaltung valider, authentischer Markenbotschaften. Semiotiker steuern Bedeutung im Unternehmen. Geschäftsfuhrer, die ihr Unternehmen am Wert ihrer Marke ausrichten, wissen längst um den hohen Stellenwert der semiotischen Markenführung in ihrer Unternehmensstrategie.

Es liegt auf der Hand: in Broschüren, auf Webseiten, in Datenblättern, in Produktabbildungen, als Markennamen, oder Corporate Identity, in Vision, Mission und Leitbild wird die Marke symbolisch dargestellt. Stellvertretend für Produkte und Marken, nimmt der Konsument zunächst diese Symbole in emotionaler Weise wahr und erlebt sie. Die Verknüpfung einer Marke mit emotionalen Erlebnissen erfolgt durch Assoziation und durch Kontext. Versierte Kontexter sind für diese Aufgabe prädestiniert.

Fazit

Bedürfnisse können nicht erzeugt werden. Aber bedeutungsvolle Kommunikation kann unterbewusst vorhandene Bedürfnisse provozieren. Symbolische Beeinflussungstechniken kodieren Botschaften, mindestens in zweierlei Richtungen: um klare Kommunikation zu ermöglichen, oder um kommunikativ zu manipulieren.

Nach Wolfgang Koschnick, „Kann Werbung wirklich Bedürfnisse erzeugen, die es vorher nicht gab?“, Telepolis, 2018.

Unternehmen und Einzelpersonen sollten ihre Handlungen an Werten ausrichten – diese Werte sind der Kompass, der uns die Richtung weist. Mit klaren Botschaften, die auf dieser Grundlage basieren, gestalten wir nicht nur erfolgreiche Unternehmen, sondern führen auch ein sinnvolles Leben.

Dr. Klaus Kerschensteiner

Semiotiker

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